Warum ich die Irische Neutralität Verletzte

Das Cleary Bauernhaus in Ballymore, Ventry, wo eine griechische Besatzung während des WK II Zuflucht fand. Abgebildet mit Sean Cleary ist Werner Lott, Kapitän des deutschen U-Bootes, welches die irische Neutralität verletzte um die Griechen ans Land zu setzen und dabei ihre Leben retteten.
Der Kapitän eines deutschen U-Bootes verletzte die irische Neutralität während des zweiten Weltkrieges, als er 28 gefangene Griechen im Hafen von Ventry an Land setzte.
45 Jahre später erklärte Werner Lott in einem Exklusiv-Interview mit der Zeitung "The Kerryman" warum er dieses "im Interesse der Menschlichkeit" tat.
Kapitän Werner Lott erfreut sich im Augenblick eines 3-wöchigen Urlaubs in West Kerry. Diese Woche traf er sich mit Jimmy Fenton, der 1939 ein 11 jähriger Junge war und mit einer großen Anzahl Einheimischer zum Hafen von Ventry lief, um das seltene Geschehen zu verfolgen, wie ein deutsches U-Boot Menschen an Land setzte.
Wir lebten in Paddock, Ballymore, von wo aus wir eine Sicht über den Hafen von Ventry und die Dingle Bay hatten", sagte Mr. Fenton, Eigentümer des Restaurants "Zur Schmiede" in Dingle. Er ist pensionierter Lehrer. "Ich war gerade 11 Jahre zu der Zeit und weiß noch, dass wir gerade aus der Schule kamen, als die Aufregung anfing. Ich musste ca 1/4 Meile zum Hafen laufen, bis ich das U-Boot ausmachte. Ich glaube, der erste, der dort war, war ein Zollbeamter mit Namen Browne."
Nach all diesen Jahren hörte der deutsche Kapitän diese Woche, wie dankbar ihm die Griechen waren. Ihr Englisch war schlecht, aber sie beteuerten immer wieder. "Der Deutsche ist ein guter Mann" berichtete Jimmy. Die Griechen wurden dann in einem Bauernhaus untergebracht.
In einem Hauptinterview auf der folgenden Seite beschreibt Kapitän Lott, der in einer afrikanischen Kolonie groß wurde, wo sein Vater einer der ersten weißen Ärzte war, wie er im 2. Weltkrieg so dicht an den Strand von Dingle kam, wie er selbst schon bald danach Kriegsgefangener wurde und wie eine lebenslange Freundschaft mit Lord Mountbatten begann. Sein bisher erster Besuch in Irland geht dieses Wochenende zu Ende.

U - Boot Kapitän erklärt seinen Besuch in Ventry im Okt. 1939
An einem stürmischen Abend im Okt. 1939 erreichten die Realitäten des 2. Weltkrieges auch die Ufer der Dingle - Halbinsel. Eine Anzahl Einheimischer wunderte sich an jenem Abend nicht schlecht, als ein deutsches U-Boot bis auf 10 m an das Ufer von Ventry herankam. Was sie da noch nicht wussten, war, dass sie Zeuge würden einer höchst menschlichen und unkriegerischen Handlungsweise des deutschen Kommandanten: 28 griechische Seeleute, deren Schiff von den Deutschen versenkt worden war, wurden in Ventry an Land gesetzt, jeweils 2 Mann in einem kleinen Dinghi. Dann verschwand das U-Boot wieder, ohne dass einer der Deutschen den neutralen irischen Boden betreten hatte.
Vor 2 Wochen machte der Kommandant jenes deutschen U-Bootes, Werner F. R. Lott, einen nostalgischen ersten Besuch nach Dingle und traf sogar Jim Fenton aus Ballymore, einer von denen, die Zeuge jenes abendlichen Dramas waren.
Werner F. R. Lott, der diese Woche sagte: "Ich war überall auf der Welt mit Ausnahme von Nord- und Südpol, war bis vor 2 Wochen noch nie auf irischem Boden.“ Der 77 jährige Deutsche gab zu, dass er schon oft geplant hatte, die Landschaft und die Menschen kennen zu lernen, denen er im 2. Weltkrieg seine Gefangenen anvertraut hatte. Er erinnert sich noch an jedes Detail jenes Abends und an die Entscheidung, die er zu treffen hatte, welche ihm einen strengen Verweis durch die Regierung von Hitlers 3. Reich einbrachte, weil er die Neutralität Irlands verletzte und das Leben von 28 Griechen rettete. "Ich hatte ein griechisches Schiff in den Gewässern um Lands End gestoppt", erinnert er sich. "Nach der Genfer Konvention konnte ich es anhalten und, falls es Konterbande an Bord hatte, konnte ich es versenken. Bei der rauhen See war ich nicht imstande, die Schiffspapiere zu prüfen. Darum gab ich Signal, mir zu folgen. Ich wollte bis unter den Schutz der irischen Küste fahren. Weil das Schiff mir nicht folgte, gab ich ihm einen Schuss vor den Bug. Das Ergebnis war, dass eine Panik ausbrach und die Besatzung in die kleinen Boote sprang. Es war vorauszusehen, dass die Boote kentern würden." Und so passierte es auch. Der deutsche Kommandant entschloss sich zu dem Versuch, die Leute zu retten. "Es ist fast unglaublich, aber wir zogen sie alle an Bord", sagte er.
Eine Prüfung der Papiere ergab, dass der 8000 Tonner Diamantis 4000 to. Eisenerz von Südafrika nach England brachte und wurde also 50 Meilen vor Lands End versenkt. Kapitän Lott hätte nun ein Problem. Er hatte 43 Mann Besatzung und jetzt noch 28 Griechen und der Proviant ging zu Ende. Er entschloss sich, zur Südwestküste Irlands zu laufen und die Griechen dort an Land zu setzen. "Ich tauchte weg, weil britische Flugzeuge schon in der Luft waren", sagte er. "Wir blieben getaucht bis es dunkel war und tauchten dann auf. Ich hatte mich entschlossen, in die Dingle Bucht zu fahren und wir suchten den Hafen von Ventry aus. Wir liefen bis auf 10 m an das Ufer. Da wir nur ein kleines Beiboot hatten, konnte einer meiner Leute nur jeweils 2 Griechen an Land bringen. Er machte den Trip 14 mal und in der Zeit kamen eine Menge Leute, die uns zusahen.
Auf diesem Punkt vor 45 Jahren ... Abgebildet ist Werner Lott, der Kapitän des deutschen U-Bootes welches 28 griechische Seeleute im Ventry Hafen landete, mit einheimischen Jimmy Fenton, der als 11-jaehriger Junge Zeitzeuge des Dramas war.
Exklusive Abbildung - Kevin Coleman
Als die Griechen mir auf dem Turm Lebewohl sagten, knieten sie nieder und küssten meinen Ehering, als ob ich ein Bischof wäre. Ich wollte das nicht, aber sie sagten, sie verdankten mir ihr Leben. "Sie haben uns so nett behandelt."
Im "Kerryman" von Sonnabend, den 7. Okt.1939 erschien ein Bericht des Ereignisses unter der Überschrift: "Deutsches U-Boot im Hafen von Ventry." Der Bericht fuhr fort: "Die Schiffbrüchigen wurden in Ballymore ärztlich versorgt. 5 von ihnen leiden noch unter einem Schock im Hospital von Dingle, sind aber soweit fit, um die anderen Leute nach Dublin zu begleiten."
Der deutsche Kommandant erhielt später einen strengen Verweis für seine Handlungsweise. "Es war mir klar, daß ich beim Eintritt in irische Gewässer die Neutralität verletzen würde", sagte er, "aber ich tat es aus Gründen der Menschlichkeit. Ich hoffte, daß man das verstehen würde. Natürlich protestierten die Iren bei der deutschen Regierung und ich erhielt einen strengen Verweis. Und natürlich war das gerechtfertigt", bemerkte Werner Lott in dieser Woche. Er erinnerte sich, daß auch die britische Regierung bei den Iren protestierte, obwohl die Briten zu der Zeit laufend die irische Neutralität verletzten und erinnerte sich an einen Fall, wo ein als Fischkutter getarntes britisches Kriegsschiff einen Offizier an Land setzte, weil er dringend ärztlicher Behandlung bedurfte.
Ein Buch von Robert Fisk "In Kriegszeiten" behauptete, es hätte damals Gerüchte gegeben, daß Kpt. Lott vor dem Krieg mehrmals in Irland gewesen sei und bei der Anlandung der Griechen Grüße an einen Michael Long ausrichten ließ, stritt der Deutsche ab. Er wäre bis auf diesen Besuch noch nie hier gewesen.
Obgleich Kapitän Lott ein sehr abenteuerliches Leben hatte, mußte er doch den größten Teil des Krieges in Gefangenschaft verbringen, weil sein U-Boot schon ca 2 Monate nach der Dingle Episode von britischen Zerstörern querab von Norwegen versenkt wurde. "Ich lief in eine Falle. Die Royal Navy benutzte einen großen Tanker als Köder und bewachte ihn mit Zerstörern, die mit den neuesten U-Jagdgeräten ausgestattet waren. Bevor ich nahe am Tanker war, hatten sie mich entdeckt und nun begann eine 5 stündige Jagd. Aber drei gegen einen waren 2 zuviel. Nach 5 Stunden wurden wir getroffen."
Er und seine Besatzung verließen das Boot in Rettungsringen und begegneten derselben Barmherzigkeit, die sie vorher den Griechen zeigten. Sie wurden von den Briten ausgefischt." Ihr Rettungseinsatz war außerordentlich", erinnert sich Kapitän Lott. Er war der Vorletzte, der gerettet wurde und nach 45 Minuten im eiskalten Wasser war er so erstarrt, daß er das Tau nicht halten konnte, das man ihm zuwarf. Er wurde mit einem Rettungsboot aufgefischt und dies war der Beginn einer lebenslangen Freundschaft zwischen dem deutschen Kapitän und Lord Louis Mountbatten, dessen Flotille das U-Boot vernichtet hatte. Er wurde in den Tower von London gebracht und dort in so was wie eine "mittelalterliche Zelle" verlegt. Wegen seines Dienstgrades protestierte er heftig gegen diese grässlichen Verhältnisse und begann einen Hungerstreik. Nach 2 Tagen wurde das Missverständnis aufgeklärt und er in ein angenehmeres Quartier verlegt und erhielt eine persönliche Entschuldigung von Lord Mountbatten. "Ich dankte ihm für die außerordentlichen Abstrengungen, die sein Zerstörer bei unserer Rettung gemacht hatte und er erwiderte: "So sei das Leben nun mal, Sie taten das Gleiche ja bei den Griechen."
Werner, der am Freitag von Irland nach London fährt, wo er "seine alte Zelle" im Tower nochmal aufzusuchen versucht, schrieb noch oft an Lord Mountbatten, noch viele Jahre nach dem Krieg. "Ich bekam noch Geburtstagsgrüße zum 70. von ihm. Ja, ich empfand es als große Tragödie, als er starb", sagte er.
Bald waren so viele Kriegsgefangene in London, dass die Behörden sie fürchteten und sie nach Kanada schickten. Die Deutschen hatten einen Code im Tower, mit denen Lott über seine Frau Briefe verschlüsselt schickte und dieser Schlüssel wurde von den Briten nie entdeckt. Erst wurde Lott an die kanadische Ostküste, später in ein Lager in den Rockies verschickt.
Ein Hinweis auf seine guten Englischkenntnisse begegnete er mit einem Lächeln. "Ich verbrachte ja so viele Jahre hinter Stacheldraht, dass ich genug Zeit zum Lernen hatte."
Nach dem Kriege musste der Berufsmarineoffizier seine Laufbahn und seinen Lebensstil ändern. Seine Frau war bei einem Bombenangriff auf Berlin verletzt worden und für den Rest ihres Lebens an einen Rollstuhl gefesselt. Er engagierte sich im sozialen Bereich und wurde Direktor eines großen deutschen Rehabilitations-Zentrum.
Er scheint von Irland echt beeindruckt. "Es ist eins der lieblichsten Länder der Welt. Die Menschen sind sehr liebenswert und freundlich." Er sagte, das seltsamste seien die hohen Gräben und Mauern, welche die herrlichen Aussichten versperren, wenn man durch die Landschaft fährt.
In Dingle besuchte er das Hospital, in das, wie er wusste, die Griechen gebracht wurden und er besuchte auch die Geistlichkeit. "Ich wusste, dass ich mich an den Padre wenden musste, um jemand zu finden, der an jenem Abend am Hafen dabei war." Der Priester brachte ihn tatsächlich mit Jim Fenton aus Ballymore zusammen, der 12 Jahre alt war, als das U-Boot an jenem Abend einlief.
Nach dem Krieg wollte die griechische Regierung diesen Mann für seine menschliche Tat auszeichnen, aber seine eigene Regierung ließ das nicht zu. "Ich glaube, was ich tat, war eben kein gutes Vorbild."
Am letzten Montag war Werner Lott unterwegs nach Killarney. Er hatte noch eine Woche Urlaub vor sich in Irland, nachdem er die meiste Zeit um Castle - Gregory verbracht hatte. "Es war herrlich bei Ihnen", sagte er beim Abschied.

Marese McDonagh
The Kerryman, Freitag, 21. September 1984

Übersetzung: Werner Lott und Hans Mair